Datenschutz als Todesurteil? Wenn Schweigen Leben kostet – über die Grenzen des Datenschutzes bei drohender Gewalt

Sachverhalt


Führungszeugnisse werden nur auf Antrag der betroffenen Person oder bei gesetzlich geregelten Pflichten (z. B. Arbeit mit Kindern) ausgestellt.

Eine Weitergabe strafrechtlicher Daten an Dritte, wie hier die gefährdete Partnerin, käme möglicherweise nach folgenden Gesetzesvorgaben in Betracht:

„Die Verarbeitung personenbezogener Daten sollte ebenfalls als rechtmäßig angesehen werden, wenn sie erforderlich ist, um ein Interesse, das für das Leben der betroffenen Person […] wesentlich ist, zu schützen.“

Erwägungsgrund 46 DSGVO

Die Polizeigesetze der Länder (z. B. § 8 PolG NRW, Art. 11 BayPAG) ermächtigen zur Gefahrenabwehr, einschließlich der Information gefährdeter Personen, Platzverweise oder Kontaktverbot sowie die Ingewahrsamnahme bei unmittelbarer Gefahr.

Die Polizeidienstvorschriften (PDV) und Leitlinien zur Bekämpfung häuslicher Gewalt betonen ebenfalls die proaktive Gefahrenabwehr.

Der Hausarzt in diesem Fall hat die Polizei informiert. Das wirft die Frage der Schweigepflicht auf.

§ 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB sanktioniert die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht. Aber bei drohender erheblicher Gefahr für Leib oder Leben darf die Schweigepflicht durchbrochen werden. Dies geht aus § 34 StGB zu den Notstandsregelungen hervor. Außerdem gibt es sogar Offenbarungspflichten bei Kenntnis bestimmter Straftaten2.

Man kann grundsätzlich davon ausgehen, dass bei konkreter Gefahr für Leib und Leben Dritter eine Offenbarung zulässig ist.

Deutsche Gerichte haben wiederholt betont, dass das Recht auf Leben staatliche Schutzpflichten begründet, die auch präventive Maßnahmen umfassen3. Behörden müssen bei erkennbaren Gefährdungslagen aktiv werden und dürfen sich nicht auf formale Hürden zurückziehen. Die Polizei darf und muss potentielle Opfer über konkrete Gefahren informieren, wenn anders kein wirksamer Schutz möglich ist.


Die ernüchternde Antwort: Nicht sicher. Obwohl die Rechtslage in Deutschland ausreichende Handhabe bietet, gibt es erhebliche Defizite in der Praxis:

Behördenmitarbeiter fürchten oft Datenschutzverstöße und dienstrechtliche Konsequenzen, Regressansprüche bei Fehleinschätzungen oder eine mediale Skandalisierung.

Im Zweifel wird in der Folge geschwiegen, selbst wenn Leben oder körperliche Unversehrheit auf dem Spiel steht.


Es braucht explizite gesetzliche Vorgaben, dass und unter welchen Voraussetzungen Behörden potentielle Opfer warnen müssen, um den Beschäftigten Sicherheit zu geben und Informationspflichten bei Vorliegen bestimmter Kriterien (z. B. Verurteilung wegen schwerer Gewalt gegen frühere Partner:innen). Eine standardisierte Risikoeinschätzung mit konkreten Schwellenwerten und Dokumentationspflichten für Gefährdungseinschätzungen wären mit Sicherheit ebenfalls sinnvoll.

Die Verhältnismäßigkeitsprüfung muss konsequent zu Ende gedacht werden. Was ist weniger einschneidend?

  • Die Information einer gefährdeten Person über die strafrechtliche Vergangenheit ihres Partners (begrenzte Offenbarung spezifischer Daten an konkrete Person)
  • Vergewaltigung, schwere Körperverletzung oder Tod (irreversible Verletzung fundamentaler Rechte)

Die Antwort ist offensichtlich.

Datenschutz ist kein Selbstzweck. Art. 1 Abs. 2 DSGVO formuliert:

„Diese Verordnung schützt die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen und insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten.“

Art. 1 Abs. 2 DSGVO

Das Recht auf Datenschutz ist ein Mittel, um andere Grundrechte zu schützen. Dazu gehören Würde, Freiheit und Sicherheit. Wenn Datenschutz zum Hindernis für den Schutz von Leben wird, läuft etwas fundamental falsch.


Der Fall N.D. gegen die Schweiz ist ein Weckruf. Er zeigt, dass ein formalistisches Verständnis von Datenschutz Leben kosten kann. Die Rechtslage ist ausreichend, das Problem liegt in der Praxis durch Übervorsicht und Risikoaversion. Diese Punkte führen dazu, dass rechtlich mögliche und gebotene Schutzmaßnahmen unterbleiben. Verhältnismäßigkeit muss ernst genommen werden. Das Persönlichkeitsrecht eines mehrfach gewalttätigen Straftäters kann niemals schwerer wiegen als das Leben einer konkreten gefährdeten Person.

Die eigentliche Frage ist nicht: „Dürfen wir warnen?“

Die Frage muss lauten: „Können wir es verantworten, zu schweigen?“

Nach dem Urteil des EGMR ist die Antwort klar: Nein.


AUTORIN


  1. https://hudoc.echr.coe.int/#{%22respondent%22:[%22CHE%22],%22documentcollectionid2%22:[%22GRANDCHAMBER%22,%22CHAMBER%22],%22itemid%22:[%22001-242530%22]} ↩︎
  2. s. https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__138.html ↩︎
  3. https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2021/03/rs20210324_1bvr265618.html ↩︎

Federated Learning

Neben der Zweckbindung ist im Rahmen der Verarbeitung personenbezogener Daten, deren Integrität und Vertraulichkeit zu gewährleisten. Die Datenverarbeitung muss daher unter anderem eine angemessene Sicherheit der personenbezogenen Daten gewährleisten, einschließlich Schutz vor unbefugter oder unrechtmäßiger Verarbeitung. Weiterhin ist der sogenannte Grundsatz der Datenminimierung zu beachten. Personenbezogene Daten müssen dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein, d. h. es dürfen nur die Daten verarbeitet werden, zur Erreichung des zugrundliegenden Zwecks erforderlich sind.

Bei Interesse, Fragen und Austausch zu dem Thema oder wenn das für Ihr KI-Modell als Lösung interessant ist, kommen Sie gerne auf uns zu und melden sich hier.

  1. vgl. How much data from the public Internet is used for training LLMs? | by Michael Humor | GoPenAI ↩︎
  2. s. https://www.edps.europa.eu/system/files/2025-06/techdispatch_federated-learning_en.pdf ↩︎
  3. vgl. https://arxiv.org/abs/2103.07853 ↩︎

Der Data Act und seine Auswirkungen auf die Windenergie

Pflichten für Hersteller

Umfang der bereitzustellenden Daten 

Der Umfang ergibt sich aus Art. 2 Abs. 17 Data Act:

Das Zugangsrecht umfasst bei der Nutzung erstellte Daten, sowohl personenbezogene als auch nicht personenbezogene Daten. 

Datenschutzrechtliche Vorgaben

Beim Zugang zu personenbezogenen Daten gelten vorrangig die Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Der Nutzer benötigt eine Rechtsgrundlage nach Art. 6 DSGVO. Personenbezogene Daten Dritter können aus Sicht eines Unternehmens auch die eigenen Beschäftigten betreffen. Eine Lösung kann die Anonymisierung bieten, da anonymisierte Daten vom Anwendungsbereich der DSGVO ausgenommen sind. 

Praxisbeispiel: Betriebsführer und Vergleichsanlagen

Verwaltet ein Betriebsführer Windenergieanlagen verschiedener Betreiber, darf er nicht ohne Weiteres alle Anlagendaten nutzen – etwa für sogenannte Ausfallberechnungen gegenüber Versicherungen. 

Bei einem Anlagenausfall zahlt die Versicherung den entgangenen Ertrag auf Basis der theoretisch möglichen Stromproduktion. Diese wird anhand von Vergleichsanlagen berechnet – also Anlagen desselben Herstellers und Typs in vergleichbarer Umgebung (z. B. im rheinhessischen Bergland). Gehören diese Anlagen unterschiedlichen Betreibern, greift der Data Act. Eine Nutzung dieser Daten erfordert dann beispielsweise eine vertragliche Grundlage. 

Behörden können Unternehmen unter bestimmten außergewöhnlichen Voraussetzungen, etwa bei Naturkatastrophen oder akuter Energieknappheit, verpflichten, bestimmte Daten herauszugeben. Voraussetzung ist, dass diese Daten dringend zur Bewältigung der Notlage benötigt werden und nicht anders beschaffbar sind. 

Bereitstellung und Ablehnungsfristen 

Die Daten sind grundsätzlich unverzüglich bereitzustellen. Um den Aufwand zu minimieren, sind technische, organisatorische und rechtliche Maßnahmen zu berücksichtigen. „Bereitstellen“ bedeutet nicht zwingend Übermittlung – eine sogenannte In-situ-Bereitstellung direkt am vernetzten Produkt genügt. 

Unternehmen können ein behördliches Datenverlangen ablehnen, müssen dies jedoch unverzüglich, spätestens innerhalb von fünf Arbeitstagen nach Eingang tun. In allen anderen Fällen außergewöhnlicher Notwendigkeit beträgt die Ablehnungsfrist 30 Arbeitstage. 

Um sogenannte „Lock-in-Effekte“ zu verhindern – also die Bindung an einen Anbieter, weil ein Wechsel zu kompliziert, zu teuer oder mit Datenverlust verbunden wäre -, verpflichtet der Data Act, Anbieter von Datenverarbeitungsdiensten, technische und vertragliche Hürden abzubauen. 

Der „Umzug“ eigener Daten von einem Cloud-Service zu einem anderen soll einfacher und unkomplizierter werden. Anbieter müssen den Wechsel innerhalb von maximal 30 Tagen ermöglichen. Vertragsklauseln, die einen Wechsel behindern, sind unwirksam. 

Der Data Act stärkt damit die Datensouveränität und ermöglicht die nahtlose Fortführung der eigenen Datenhistorie bei einem neuen Anbieter. 

Beispiel: Betreiber cloudbasierter Asset-Management- und SCADA-Software sollen künftig leichter den Anbieter wechseln können.

Ein zentrales Anliegen des Data Acts ist der Schutz von Geschäftsgeheimnissen und vertraulichen Informationen, insbesondere wenn Unternehmen verpflichtet werden, solche Daten an Nutzer oder Dritte weiterzugeben. Der Data Act erkennt dieses Schutzbedürfnis ausdrücklich an. 

Unternehmen, die Daten bereitstellen müssen, sind nicht verpflichtet, Geschäftsgeheimnisse oder vertrauliche Informationen preiszugeben, sofern keine angemessenen Schutzmaßnahmen getroffen werden (Art. 4 Abs. 6, Art. 8 Abs. 6). 

Das bedeutet: 

  • Der Datenempfänger muss geeignete Maßnahmen zum Schutz der erhaltenen Geschäftsgeheimnisse treffen. 
  • Es dürfen keine Daten weitergegeben werden, wenn dies mit einem unvertretbaren Risiko für die Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen verbunden wäre. 

Die Parteien können vertraglich festlegen, wie Geschäftsgeheimnisse geschützt werden – etwa über: 

  • Vertraulichkeitsvereinbarungen (NDAs) 
  • Beschränkungen der Nutzung und Weitergabe 
  • Technische Zugriffsbeschränkungen 

Der Data Act sieht vor, dass Empfänger von Daten, die Geschäftsgeheimnisse enthalten, diese nicht für eigene Zwecke außerhalb der vereinbarten Nutzung verwenden dürfen. 

Wenn trotz aller Maßnahmen ein unvertretbares Risiko für die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen besteht, können Unternehmen die Herausgabe verweigern.

Befürchtet ein Windturbinen-Hersteller, dass durch die Herausgabe von Sensordaten an Betreiber oder Dritte sensible Informationen – etwa zu Algorithmen, Betriebsstrategien oder Wartungsprozessen – offengelegt werden, kann er Schutzmaßnahmen verlangen. Erst wenn diese vereinbart und umgesetzt sind, muss er die Daten bereitstellen. Kommt es dennoch zu einem unvertretbaren Risiko, kann die Herausgabe abgelehnt werden.

Der Data Act stellt einen Paradigmenwechsel dar. Er versucht, die enorme wirtschaftliche Kraft, die in den Daten des Internets der Dinge steckt, für alle nutzbar zu machen, während er gleichzeitig die Grundrechte des Datenschutzes wahren will. Dieses Spannungsfeld zwischen Öffnung und Schutz wird Hersteller und Anwender in den kommenden Jahren intensiv beschäftigen. 

Für Betreiber und Betriebsführer von Windenergieanlagen ist dies ein echter Gewinn: Kein Betteln mehr um Daten. Der Data Act liefert den rechtlichen Hebel zur Daten-Demokratisierung. 

Die entscheidende Frage für Unternehmen wird nun sein: Wie werden die Kompetenzen und die technische Infrastruktur aufgebaut, um aus dieser neuen Datenflut nicht nur Compliance-Pflichten, sondern echte Wettbewerbsvorteile zu generieren?